Deutschland braucht zur Verbesserung des Recyclings zusätzlich eine Substitutionsquote

Braucht Deutschland zusätzlich zu Recylingquoten eine neue Substitutionsquote? Eine solche Vorgehensweise hätte den Vorteil, dass wir zu einer sehr gezielt steuer- oder auch förderbaren „Circular Economy“ in Deutschland kommen könnten.

Die EU-Kommission hat sich im Trilog-Verfahren am 17.12.2017 auf neue, EU-weit verbindliche, Ziele für eine nur scheinbar fortschrittliche Siedlungsabfallentsorgung in allen EU-Mitgliedsstaaten verständigt. Hierin ist z.B. die Erreichung von Recyclingzielen für die Summe der Siedlungsabfälle in Schritten bis zum Jahr 2030 festgelegt. Somit muss auch Deutschland im Jahr 2030 eine Recyclingquote von 65% für den Siedlungsabfall erreichen. Dieses an sich wäre nicht besonders ambitioniert, denn wir haben dies bereits im Jahr 2015 übertroffen. Der „Pferdefuß“ in dieser Regelung ist jedoch, dass die EU-Kommission gleichzeitig die „Spielregeln“ für die Berechnung der Recyclingquoten für alle EU-Mitgliedsstaaten verändert hat. So gelten die Mengen, die einem Recycling zugeführt werden, z.B. bei Altpapier oder Altglas, künftig nicht mehr, wie bisher, bezogen auf den Input in die jeweiligen Recyclinganlagen, sondern outputbezogen, unter Abzug der in diesen Anlagen entstehenden Verluste. So würden beispielsweise für das Altglas alle Fremdbestandteile, wie Metall- und Kunststoffverschlüsse oder Korken, aber auch das Etikettenpapier, ebenso wie Glasstaub aus der Aufbereitung, nicht mehr zur Recyclingquote für das Altglas hinzugerechnet.

Dieser Ansatz ist zwar – wissenschaftlich gesehen – ein sehr ehrlicher Umgang mit den tatsächlich recycelten Mengen, andererseits senkt er aber auch die bisherigen Recyclingmengen und -quoten in der Gesamtsicht recht erheblich. Dieses gilt v.a. für Stoffströme, wie die Verpackungen der Haushalte, den Sperrmüll sowie die haushaltsähnlichen Gewerbeabfälle, deren Recyclingquoten künftig mit dieser Neuregelung drastisch sinken werden, wenn nicht der abfalltechnologische Fortschritt der jeweiligen Sortier- und Aufbereitungsverfahren hier in den kommenden rund 10 Jahren gleichzeitig hilft, „Recyclingberge“ zu versetzen.

Nur für einen Stoffstrom gibt es hierzu eine Ausnahme: Der Bioabfall aus den Haushalten wird weiterhin inputbezogen in die jeweiligen Anlagen (Aufbereitung, Vergärung oder Kompostierung) betrachtet und berechnet. Dies ist nicht nur inkonsistent, weil hierbei sowohl die recht großen Wasser- und diffusen Gasverluste der Verfahren mit bilanziert werden, sondern es kann auch zu einer Gefährdung der Bioabfallverwertung führen. Kommunen könnten auf die Idee kommen, der Qualität der Bioabfallerfassung und -verwertung nunmehr deutlich weniger Aufmerksamkeit zu schenken, Stichwort zweite „Grüne Restabfalltonne“. Die Menge der Bioabfälle aus Haushalten ist in Deutschland aber andererseits so groß, dass strenggenommen nur über diesen Anteil eine notwendige Erhöhung der künftigen Recyclingquote auf mindestens 65% für das Jahr 2030 erreicht werden kann.

Daher stellt sich aus meiner Sicht eine grundsätzliche Frage:

Sollten wir europaweit zur qualitativen Verbesserung der Bioabfallverwertung nicht lieber auch hier outputbezogen rechnen, d.h., nur auf die tatsächlich erzeugten Gärreste oder Komposte abstellen und gleichzeitig die Gesamtrecyclingquoten für die Siedlungsabfälle dieser Verfahrensweise anpassen, z.B. auf nur noch 50% im Jahr 2030?

Was aber können wir in Deutschland zusätzlich tun?

Es erscheint mir für die Zukunft denkbar, auch über eine Substitutionsquote für die in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführten Materialien nachzudenken. So könnten materialspezifische Quoten, z.B. für Altpapier im Rahmen der Papierneuproduktion, Altglas in der Glasneuproduktion, Eisenmetalle aus Haushalten in der Stahlproduktion, Aluminium aus Haushalten in der Aluminiumverhüttung oder für Kunststoffarten (PE, PP, PS, PU, PVC, etc.) in der Kunststoffverarbeitung festgelegt werden, die es als dynamische Mindestgesamtwerte für die jeweiligen Stoffströme zu erreichen gilt. Als bedeutender Schritt in diese Richtung ist hier zunächst einmal eine Evaluierung und Festlegung solcher, in der Zukunft dann auch steigender, Mindestsubstitutionsquoten für die deutsche Wirtschaft notwendig. Eine solche Vorgehensweise hätte den entscheidenden Vorteil, dass wir zu einer sehr gezielt steuer- oder auch förderbaren „Circular Economy“ in Deutschland kommen könnten, die mit einer Mischung von qualitativen und quantitativen Indikatoren zur Festlegung der für die Volkswirtschaft angemessenen Recyclingziele operiert.

Denn Fakt ist: Wir brauchen keine unrealistisch hohen Recyclingquoten, für die es in Deutschland gar keine Recyclingmärkte gibt (z.B. Mischkunststoffe, Bioabfälle, Textilien, z.T. auch Holz). Andererseits würden materialspezifische Mindestsubstitutionsquoten den Weg in eine hochwertige stoffliche Verwertung mit einer tatsächlichen Kreislaufführung der einzelnen Abfälle ebnen. Wir müssen uns hierbei nur entscheiden, was uns als Gesellschaft der Weg mit dem höheren Nutzen erscheint und müssen uns immer wieder klar vor Augen führen: „Stillstand“ heißt „Rückschritt“.

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